Ratgeber
Meine Erfahrungen mit Schwerhörigkeit und Tinnitus
Ich will hier von meinen eigenen Erfahrungen zur Schwerhörigkeit und Tinnitus berichten und einen Überblick geben, was man bei fortschreitender Schwerhörigkeit meines Erachtens wissen muss.
Wie alles bei mir mit der Schwerhörigkeit begann:
Ich bin von Beruf Diplomkaufmann und habe die letzten Jahre als Dozent im Bereich EDV und Betriebswirtschaftslehre gearbeitet. Die Schwerhörigkeit kam nicht plötzlich, wie bei einer schweren Ohrentzündung oder Knall, sondern ganz langsam auf leisen Sohlen angeschlichen. Dies machte sich bemerkbar, dass ich beim Unterricht oft die Fragen von Teilnehmern und Teilnehmerinnen, welche weiter hinten saßen, nicht richtig verstehen konnte. Anfangs machte mir das wenig Sorgen, jedoch verstärkte sich das Problem mit der Zeit und es kam dadurch auch zu Missverständnissen. So hatte ich mal in Berlin-Kreuzberg eine Teilnehmerin aus Afrika, welche eine sehr leise Stimme hatte. Da die Teilnehmeranzahl der Computerkurse damals über 30 lag, war der Lärmpegel auch nicht gerade so niedrig. Jedenfalls habe ich ihre Rufe wohl immer überhört, sodass sie dann dachte ich bin ein Rassist. Erst eine andere Teilnehmerin hat ihr dann erklärt, bei Herrn Kurtz musst Du schön laut rufen "Herr Kurtz, kommen Sie mal bitte..." Das hat sie dann verstanden.
Na ja, ich merkte dann, dass es doch immer schlechter wird. Um vorab schon mal einen Überblick zu bekommen, habe ich dann im Internet einen Online-Hörtest gesucht. Mittlerweile gibt es da so einige Seiten, die diesen anbieten. Vor allem die großen Hörgeräte Anbieter haben fast alle einen entsprechenden Test auf ihren Internetseiten – natürlich nichts ganz uneigennützig. Trotzdem kann es als erste Orientierung dienen. Bei mir fiel dieser Test schon nicht so gut aus und so bin ich im nächsten Schritt zum Ohrenarzt gegangen. Manchmal ist die Ursache für den Hörverlust auch nur Ohrenschmalz in den Gehörgängen. Daran hatte ich als Kind immer schon gelitten. Das wäre dann die einfachste Möglichkeit. Einmal ausspülen bzw. mit der Pinzette (Ohrenarzt) entfernen und schon hört man wie am ersten Tage.
Hier ein paar Seiten, welchen einen Hörtest anbieten. Stellen Sie sicher, dass Sie einen ordentlichen Kopfhörer zur Verfügung haben. Nur mit Lautsprechern würde ich den Test nicht empfehlen. Spielen Sie ruhig mehrere Tests durch.
Seiten mit Hörtests zur Erkennung von Hörproblemen von Zuhause aus:
Ursachen für Schwerhörigkeit:
Schwerhörigkeit kann durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden, darunter:
- Altersbedingte Schwerhörigkeit (Presbyakusis)
- Lärmbedingte Schädigung
- Erkrankungen wie Menière-Krankheit oder Labyrinthitis
- Genetische Faktoren
- Infektionen oder Entzündungen des Ohrs (z.B. Mittelohrentzündung)
- Verwendung von Schwermetallen oder bestimmten Medikamenten
- Trauma oder Verletzung des Ohrs
- Krankheiten wie Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen
- Komplikationen bei Geburten oder Kinderkrankheiten.
Bei mir liegen die Gründe für die Schwerhörigkeit im genetischen Bereich. Mein Großvater war stark schwerhörig. Bereits mein Vater hatte große Angst, diese auch zu bekommen. Leider habe ich sie dann erhalten 😓 Eine meiner Tanten übrigens ebenfalls.
Zusätzlich tritt bei mir auch noch Tinnitus auf. Auch dies ist genetisch bedingt.
Was ist Tinnitus?
Tinnitus ist ein akustisches Phänomen, bei dem subjektive Geräusche wahrgenommen werden, obwohl keine entsprechende äußere Schallquelle vorliegt. Tinnitus wird oft als Klingeln, Summen, Pfeifen oder Rauschen beschrieben. Die Ursachen von Tinnitus können unterschiedlich sein, von Ohrverletzungen bis hin zu Ohrerkrankungen, Stress oder Hörverlust.
Bei mir ist es ebenfalls genetisch bedingt und hat mit dem Hörverlust zu tun. Aufgrund der fehlenden Schallsignale beschäftigen die Hörzellen sich mit sich selbst. Lange Zeit hielt man Menschen, welche über Geräusche im Ohr klagten, für nicht ganz richtig im Kopf. Neuere Messungen brachten zutage, dass es wirklich messbare Reizübertragungen gibt.
Behandlung von Tinnitus:
Es gibt keine einzige Behandlung, die für alle Menschen mit Tinnitus geeignet ist. Die meisten Menschen erleben Tinnitus jedoch in milder Form und brauchen keine spezielle Behandlung. In manchen Fällen kann die Behandlung von unterliegenden Gesundheitsproblemen, wie Ohrinfektionen oder Stress, dazu beitragen, den Tinnitus zu lindern.
Für Menschen mit schwerwiegendem Tinnitus können folgende Behandlungen in Betracht gezogen werden:
- Schalltherapie
- Entspannungsübungen
- Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze
- Medikamente
Die wichtigste Behandlung bei Tinnitus und Schwerhörigkeit ist, sich ein bzw. zwei Hörgeräte zu besorgen. Damit sind die Zellen abgelenkt und brauche sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen. Wenn möglich, sollte man die Geräusche einfach überhören und sie als nicht relevant einstufen. Das Gehirn muss lernen, dass diese Geräusche unwichtig sind. Hört man ständig ganz genau hin, dann denkt das Gehirn diese Geräusche sind wichtig und dann verstärken sie sich noch.
Durchblutungsfördernde Tabletten (wie zum Beispiel Ginko) haben bei mir nichts gebracht und den Tinnitus eher noch verstärkt. Es gibt auch Behandlungen in Unterdruckkammmern und ganze Krankenhäuser, welche sich damit beschäftigen. Ich habe mal jemanden kennengelernt, der dort war. Geheilt wurde er nicht. Er hat jedoch viele Leute getroffen, welche viel schlimmeren Tinnitus hatten als er. Bei einem war es so, dass ständig eine quietschende Straßenbahn durchs Ohr fuhr.
Erfolgversprechend könnten sogenannte Tinnitusmasker sein. Ein Tinnitusmasker ist ein Gerät, das speziell zur Behandlung von Tinnitus entwickelt wurde. Es funktioniert, indem es ein Hintergrundgeräusch produziert, das den Tinnitus übertönt, wodurch die Störung reduziert oder sogar vollständig beseitigt wird. Es gibt verschiedene Typen von Tinnitusmaskern, einschließlich kleiner tragbarer Geräte, die man im Ohr tragen kann, und größere Geräte, die man zu Hause verwenden kann. Es ist möglich, dass der Tinnitusmasker direkt im Hörgerät implantiert ist.
Derzeit habe ich diesbezüglich aber noch keine persönlichen Erfahrungen mit diesen Geräten. Bislang versuche ich standhaft den Tinnitus zu überhören. Er ist von der empfundenen Intensität auch sehr unterschiedlich. Starke Tinnitusgeräusche habe ich nach körperlicher Anstrengung wie Sport und Arbeit, Stress und regnerisches Wetter.
Der Weg zum Hals-Nasen-Ohrenarzt
Wenn Sie den Hörtest abgeschlossen haben, dann erhalten Sie eine entsprechende Auswertung und meist auch eine Empfehlung. Dabei sollten Sie natürlich auch nicht vergessen, dass diese Tests von den Hörgeräteherstellern angeboten werden und natürlich auch ein Eigeninteresse vorliegt. Ist der eine oder auch mehrere Tests nicht so gut ausgefallen, dann wäre die nächste Möglichkeit einen Hörgeräteakustiker aufzusuchen. Dieser besitzt ein besseres technisches Equipment mit geeichten Messgeräten. Die Hörtests sind in der Regel kostenfrei. Fällt auch dieser nicht so gut aus, dann sollten Sie als Nächstes einen Hals-Nasen-Ohrenarzt aufsuchen. Lassen Sie sich vorher auf keinen Fall ein Hörgerät vom Akustiker aufschwatzen. Ob dieses wirklich notwendig ist, muss der HNO-Arzt entscheiden.
Gehen Sie also zum HNO und lassen Sie dort Ihre Ohren genau untersuchen. Der HNO-Arzt wird ebenfalls einen Hörtest mit Ihnen machen. Meist wird dieser nicht durch den HNO-Arzt/-ärztin, sondern von qualifiziertem Personal durchgeführt. Sie müssen sich in eine schalldichte Kabine setzen und erhalten Kopfhörer auf den Kopf und einen Knopf in die Hand. Dann werden Töne in unterschiedlichen Frequenzen abgespielt. Sobald Sie den Ton hören, müssen Sie den Knopf drücken. Tun Sie das wirklich nur dann, wenn Sie sich sicher sind, dass Sie den Ton auch hören. Auch wenn es Ihnen peinlich ist, denn sonst ist es Selbstbetrug. Aus den erkannten Tönen wird dann ein Audiogramm erstellt und dem HNO-Arzt/-ärztin zur Auswertung übergeben. Der Arzt bzw. die Ärztin wird zudem Ihre Ohren gründlich untersuchen, z. B. auf Ohrenschmalz, Fremdkörper, Entzündungen usw. Falls Ihre Ohren wehtun, sagen Sie das unbedingt dem Doktor. Auch wenn Sie Hörgeräusche (Pfeiftöne) hören, teilen Sie das unbedingt dem Arzt mit (Tinnitus).
Das Audiogramm (Hörkurve)
Beim Audiogramm wird die Hörleistung der Ohren bei verschiedenen Frequenzen überprüft. Dabei wird zum einen die Luftleitungshörschwelle und zum anderen die Knochenleitungshörschwelle überprüft. Bei der Kontrolle der Luftleitungshörschwelle werden Ihnen Kopfhörer aufgesetzt und dann je getesteter Frequenz immer lauter werdende Töne vorgespielt. Können Sie diesen bewusst wahrnehmen, dann müssen Sie einen Knopf drücken. Damit ist für die jeweilige Frequenz die Luftleitungshörschwelle erreicht. Dieses Verfahren wird für beide Ohren nacheinander angewendet. Zusätzlich wird die Knochenleitung getestet. Schall wird nicht nur durch die Luft, sondern auch durch die Knochen übertragen. Sie bekommen dazu einen Knochenleitungshörer direkt auf das Schläfenbein aufgesetzt.Das gegenüberliegende Ohr wird oft per Kopfhörer durch ein Rauschen vertäubt, da die Knochenleitung sich über den gesamten Kopf erstrecken kann. Ist im Ergebnis die Luftleitungsschwelle schlecht und die Knochenleitungshörschwelle normal, dann liegt beispielsweise eine Schallleitungsstörung vor. Beispielsweise durch Ohrenschmalz, Fremdkörper im Gehörgang oder Schwellungen durch Entzündungen usw. Beide Messungen sind also notwendig.
Der Hörgeräteakustiker
Wenn Sie beim Ohrenarzt waren und dieser eine Schwerhörigkeit festgestellt hat, welche mit anderen Mitteln nicht behebbar ist, dann bekommen Sie eine Art Rezept und gehen damit zum Hörgeräteakustiker Ihrer Wahl. In der Regel wird das ein Akustiker sein, welcher in Ihrer Nähe erreichbar ist. So war das auch bei mir. Dieser wird Sie in Fragen des Hörgerätes umfassend beraten (oder auch nicht). Leider gibt es auch schwarze Schafe in dieser Branche. Der Akustiker gibt die Daten des Audiogramms in den Computer ein und ermittelt aufgrund der Stärke der Schwerhörigkeit das für Sie geeignete Hörgerät.Müssen beide Ohren versorgt werden, dann natürlich auch für beide Ohren.
Ganz wichtig: Zögern Sie niemals aus Schamgründen usw. bei beginnender Schwerhörigkeit sich unverzüglich ein passendes Hörgerät zuzulegen. Viele Menschen warten damit zu lange. Das Gehirn verliert dann leider die Fähigkeit, die Töne auch mit späterer Hörgeräteversorgung noch wahrzunehmen. Also so schnell wie möglich!!!
Der Hörgeräteakustiker besitzt in der Regel eine große Palette von Hörgeräten. Große und kleine, digitale und analoge, preiswerte und teure. Die Grundtendenz ist, dass der Akustiker Ihnen möglichst teure Geräte verkaufen möchte, da er daran auch am meisten verdient. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es auch wirklich vom Komfort usw. die teuersten auch die besten sind. Lassen Sie sich aber erst einmal davon nicht beeindrucken und gehen ohne Vorurteile an die Sache heran.
Normalerweise wird der Hörgeräteakustiker später auch die Wartung der Geräte übernehmen. Man sollte sich also jemanden suchen, dem man vertraut und langfristig zusammenarbeiten möchte.
Welches Hörgerät benötige ich?
Dies lässt sich leider nicht so einfach beantworten. Es hängt von der Stärke des Hörverlustes ab und von den persönlichen Umständen und Wünschen. Geld spielt eine große Rolle, da Sie meist bei den teuren Hörgeräten den größten Teil selbst bezahlen müssen.
Arten von Hörgeräten:
Von der technischen Seite:
Analoge Hörgeräte
Gab es zu Beginn meiner Schwerhörigkeit davon noch ganz viele, vorwiegend Kassengeräte, wurden sie heute vollständig von den digitalen Hörgeräten verdrängt. Analoge Hörgeräte haben natürlich auch ein Mikrofon und einen Lautsprecher. Die aufgenommenen Signale werden jedoch nicht digital (Nullen und Einsen) verarbeitet. Das analoge Hörgerät arbeitet stufenlos, wandelt die akustischen Signale in elektrische um, verstärkt diese und leitet sie an den Lautsprecher. Dort werden sie als Schallwellen wieder ausgegeben. Bei analogen Hörgeräten kann es gerade bei ganz leisen oder lauten Tönen zu Störungen oder Verzerrungen kommen. Das liegt an den Charakteristiken der verwendeten Bauteile. Störsignale (z. B. Wind) werden in der Regel ebenso weiter gegeben, wie Nutzsignale (Sprache). Erst mit den digitalen Hörgeräten ist es möglich, den Nutzschall vom Störschall effektiv zu trennen. Der Klang selbst hört sich aber oft viel natürlicher an als bei digitalen Hörgeräten. Es gibt hier auch keine Wiedergabeverzögerung, welche durch die digitale Signalverarbeitung bei den digitalen Hörgeräten entstehen kann. Die Einstellung erfolgt durch kleine Schrauben durch den Hörgeräteakustiker.
In den letzten Jahren der analogen Ära wurde auch hier nachgerüstet zu programmierbaren analogen Hörgeräten. Diese boten dann auch die Möglichkeit durch den Akustiker am Computer eingestellt werden zu können.
Heute sind die analogen Hörgeräte fast gänzlich vom seriösen Hörgerätemarkt verschwunden.
Digitale Hörgeräte
Diese sind heutzutage die vorherrschende Variante auf dem Hörgerätemarkt. Es gibt sie mittlerweile in allen Preisklassen und stehen somit auch den normalen Kassenpatienten zur Verfügung. Hier werden die ankommenden Signale digital aufbereitet und durch einen Computer analysiert. Die Frequenzen werden in Frequenzbereiche (Kanäle) zerlegt. Drei bis vier sollten eigentlich ausreichen, teure Hörgeräte haben aber noch wesentlich mehr Kanäle. Der Computer versucht nun die verschiedenen Hörsituationen zu erkennen und regelt entsprechend die Frequenzen rauf und runter. Der Fokus liegt hier meist erstmal auf der Spracherkennung. Diese ist für den Schwerhörigen meist am wichtigsten. Sprache in ruhiger Umgebung ist auch für ein analoges Hörgerät kein Problem, jedoch kommen in der Praxis oft viele Hintergrundgeräusche (Wind, Hintergrundgespräche im Restaurant, Kopierer, Drucker, Scanner im Büro) hinzu, welche dann im gleichen Maße verstärkt würden. Hier erkennt der Computer die Situation und filtert die unerwünschten Geräusche einfach heraus.
Moderne digitale Hörgeräte verfügen oft neben den normalen Funktionen über zusätzliche Features. Sie können z. B. bei zwei Hörgeräten diese untereinander kommunizieren (drahtlos) und aufeinander abstimmen. Die Bedienung ist auch für den Nutzer über Fernbedienungen möglich und die neuesten Entwicklungen ermöglichen die Bedienung per App über Handy & Co. Musik kann direkt über Bluetooth an die Hörgeräte gesendet werden.
Von der Trageweise:
Von der Trageweise werden in der Regel zwei Formen unterschieden. Hörgeräte, welche hinter dem Ohr getragen (HdO) werden und Hörgeräte, welche direkt im Ohr (IdO) getragen werden. Bei leichten und mittleren Hörverlusten bieten sich die IdO Hörgeräte an, da sie für andere Personen praktisch nicht sichtbar sind. Hier wiederum gibt es Concha-Hörgeräte, welche in die Ohrmuschel gesteckt werden, Gehörganggeräte und CiC Geräte, welche sehr tief im Gehörgang sitzen. Alle Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Man muss daran denken, dass die Geräte gewartet und gereinigt werden müssen und bei der Platzierung im Gehörgang ein Verschlusseffekt eintritt. Ich habe mich damals für ein Hinter dem Ohr Gerät entschieden, da diese mittlerweile so klein sind, dass sie von anderen Personen kaum noch wahrgenommen werden. Zudem trägt ja heute fast jeder etwas im oder hinter den Ohren.
Stärke des Hörverlustes
Bei sehr starken Hörverlust sind im Ohr-Geräte nicht mehr möglich. Auch hinter dem Ohr Geräte erreichen irgendwann ihre Grenzen. Sie haben dann immer noch die Möglichkeit eines Cochlea Implantats. Dazu ist dann eine OP notwendig und wird nur dann eingesetzt, wenn mit herkömmlichen Mitteln kein ausreichendes Sprachverstehen mehr möglich ist. Ich selbst habe damit bisher noch keine Erfahrungen. Mehr dazu finden Sie hier in der Wikipedia.
Probe tragen von Hörgeräten:
Der Akustiker wird Ihnen mehrere Hörgeräte (eines nach dem anderen) zum Probetragen geben. Sie können dann selbst entscheiden, mit welchem Sie am besten zurechtkommen. Das liest sich recht einfach, ist es aber in der Praxis nicht.
Ist der Hörverlust schon recht stark und die Hörgeräteversorgung erfolgt ziemlich spät, dann bekommt man beim ersten Tragen erst mal einen Kulturschock. Vorher war es ja so schön ruhig und auf einen Mal ist es rundherum total laut. Die Vögel schmettern Ihre Melodien, die Uhr tickt fürchterlich laut und das Klappern von Schlüsseln oder Tellern ist eine Qual. Viele legen dann Ihre Hörgeräte in eine Ecke und schauen es nicht mehr an. Dies ist aber genau falsch. Das Gehirn muss sich erst mal an die Verarbeitung der neuen bzw. der längst vergessenen Reize gewöhnen. Schrittweise werden unwichtige Laute vom Gehirn gedämpft und es tritt eine Gewöhnung ein. Das dauert aber nicht Tage, sondern Wochen und Monate.
Zwischendurch ist immer mal wieder ein Gang zum Hörakustiker angesagt, um das Hörgerät nachzujustieren. Bei guten Geräten ist das in bestimmten Grenzen auch über das eigene Handy oder den Computer möglich.
Wer trägt die Kosten für das Hörgerät?
Krankenkassen:
Die Situation heute stellt sich so dar, dass die Akustiker von der Krankenkasse einen Zuschuss von bis 685 Euro pro Hörgerät erhalten. Dazu kann es für individuell gefertigte Otoplastiken eine Pauschale von 33,50 € geben. Bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit gibt es für jedes Hörgerät sogar 840 €. Dazu gibt es noch Reparaturpauschalen. Da auch die Krankenkassen es etwas verschieden handhaben, fragen Sie am besten bei Ihrer Krankenkasse nach. Die Wartungsarbeiten werden dem Akustiker bis zu sechs Jahre von der KK gezahlt (war früher im Preis enthalten). Bei meiner Barmer, werden die Kosten auch darüber hinaus weiter bezahlt.
Achtung: Bei einem reinen Kassengerät müssen Sie maximal 10 € dazu bezahlen.
Das Gerät, welches die Kassen bezahlen, muss mindestens vier regelbare Kanäle besitzen, eine Rückkopplungs- und Störgeräuschunterdrückung und mindestens drei schaltbare Programme.
Mit den schaltbaren Programmen, kann man sich an unterschiedliche Hörsituationen anpassen wie Gespräche, etwas im Fernsehen verfolgen oder Musik hören.
Das Hörgerät sollte den Hörverlust im Alltag bestmöglich ausgleichen. Ist das nur mit einem teureren Gerät möglich, müsste der Akustiker dies eigentlich mit der Krankenkasse klären. Im Notfall könnten sie es sogar mit einer Klage versuchen. Meist bleiben die Mehrkosten aber über eine Mehrkostenerklärung an Ihnen hängen.
Bei hervorragenden Hörgeräten liegen die Preise pro Hörgerät oft ausgesprochen hoch. Über die genauen Preise schweigt sich die Branche leider meist aus und der Hammer kommt erst nach der Wahl des passenden Hörgerätes. Hier gibt es aber eine gute Preisliste für Hörgeräte, an der Sie sich vorab orientieren können: Jahnecke Preisliste für Hörgeräte. Normalerweise liegen die Spitzenpreise ohne Kassenabzug bei fast 3000 Euro pro Hörgerät. Meist ein paar Euro darunter. Die 3000 € scheinen eine Art Schmerzgrenze zu sein, auf die sich alle Hersteller eingepegelt haben. Dies ist aber auch jeweils immer das teuerste Hörgerät, alle anderen liegen unterhalb dieser Grenze.
Die gute Nachricht ist, dass jeder Hörgeräteakustiker auch entsprechende Kassengeräte Ihnen anbieten muss, welche im Prinzip zuzahlungsfrei sind. Lediglich die Batterien müssen sie selbst kaufen. Probieren Sie also ruhig verschiedene Hörgeräte beim Akustiker aus. Entscheiden Sie dann, ob das Kassengerät ausreichen ist, oder es lieber doch mit Zuzahlung sein soll.
Kostenübernahme von Hörgeräten durch die Rentenversicherung:
Auch die Rentenversicherung und ggf. bei Arbeitslosigkeit die Agentur für Arbeit sind eigentlich verpflichtet, Sie bei der Rehabilitation zu unterstützen, damit sie weiterhin am Arbeitsleben teilhaben können (das liegt auch in deren Interesse). In der Praxis habe ich jedoch erfahren, dass sich diesbezüglich die zuständigen Stellen den schwarzen Peter untereinander hin und her schieben. Gerade bei teuren Hörgeräten sollten Sie es aber ruhig versuchen. Wichtig: Sie müssen ausreichen begründen, warum Sie gerade diese teureren Hörgeräte benötigen. Da ich als Dozent gearbeitet habe, hatte ich dies begründet mit den hohen Ansprüchen an die verschiedenen Geräuschsituationen. Beim ersten Hörgerätepaar hat es mit der Förderung durch den Rentenversicherer geklappt, beim zweiten nicht mehr. Man hätte natürlich klagen können, davon habe ich dann aber abgesehen.
Der Weg wäre folgender: Sie stellen bei Ihrem zuständigen Versicherungsträger, z. B. bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen Antrag auf Teilhabe am Arbeitsleben. Das ist das Formular G100. Zusätzlich senden Sie den Anpassbericht des Hörgeräteakustikers/Ohrenarzt mit. Die Rentenversicherung wird Ihnen dann noch mitteilen, welche Dokumente sie zudem benötigt. Füllen Sie den Antrag sehr gewissenhaft aus, besonders den Teil bezüglich des Grundes, warum Sie bessere Hörgeräte als die Kassengeräte benötigen. Gehen Sie auf keinen Fall in den privaten Bereich. Das ist nämlich genau der Grund, warum die Förderung dafür meist versagt wird, da das Hörgerät auch im privaten Bereich eingesetzt werden kann bzw. wird.
In der Regel ist es oft so, dass beim ersten Mal der Antrag abgelehnt wird. Sie können dann in den Widerspruch gehen. Oft klappt es dann beim zweiten Anlauf.
Es kann auch passieren, dass der Rentenversicherer dies auf die Agentur für Arbeit zu verschieben sucht. Wenn Sie zum Beispiel unter 15 Jahren Versicherungsdauer sind. Stellen Sie ruhig auch dort den Antrag. Ganz interessant ist dazu das Merkblatt Nummer 12 der Agentur für Arbeit, welche eine Übersicht über die Möglichkeiten aufzeigt. Ansonsten gilt das Gleiche wie für den Rentenversicherer. Die Gründe müssen immer mit der beruflichen Anforderungen zusammen hängen, nie mit privaten Anforderungen begründen.
Auch hier werden meist die Anträge abgelehnt, oder an die Rentenversicherung verwiesen. Auch möglich, dass von beiden Trägern an die Krankenkasse verwiesen wird.
Zur Not kann man auch bei Ablehnung oder nicht rechtzeitiger Weiterleitung klagen. So einige Gerichte haben da bereits zugunsten des Antragstellers entschieden.
Neben der Krankenkasse, der Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit können noch eventuell andere Stellen für die Mehrkosten aufkommen. Das können sein die Berufsgenossenschaft (Schädigung berufsbedingt durch Unfall oder Lärm), Unfallversicherung (gesetzliche oder eventuell Unfallgegners), Versorgungsamt (bei Krieg, Gewalttaten oder Impfschäden), Integrationsamt. Klappt das alles nicht, dann können Sie bei der Steuererklärung die Kosten als "Außergewöhnliche Belastungen" von der Steuer absetzen. Das setzt natürlich einen dementsprechenden Verdienst aus, damit es Wirkung zeigt.
Wie ist das mit der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung als Schwerhöriger?
Viele fragen sich immer bei einem Hörverlust, ab wann bin ich schwerbehindert und wenn ja, welche Vorteile oder Nachteile bringt das mit sich?
Sobald ihr Hörvermögen in der Norm nach unten abweicht, sind Sie im Prinzip schon behindert. Die Behinderung wird nicht in Prozent, sondern als Grad der Behinderung GdB angegeben. Schwerbehindert sind Sie ab einem Grad der Behinderung von 50.
Je nach Höhe des GdB und der Art der Behinderung gibt es verschiedene Nachteilsausgleiche. Besser ist es diesen Begriff zu benutzen als Vorteile. Ich und wahrscheinlich die meisten schwerbehinderten Menschen würden gerne auf die "Vorteile" verzichten und lieber ihre volle Gesundheit wieder haben.
Aber bis es so weit ist, müssen Sie erstmal Ihren Grad der Behinderung amtlich feststellen lassen. Das ist bei hörbehinderten Menschen eigentlich einfacher als bei zum Beispiel Menschen mit anderen Leiden (Psyche, Herz, Knochen etc.). Hier hat man etwas Greifbares und Messbares. Somit bildet hier also die Grundlage das Audiogramm vom Ohrenarzt. Nehmen Sie dieses als Grundlage und stellen Sie einen entsprechenden Antrag bei Ihrem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Für Berlin zum Beispiel hier. In der Regel finden Sie dort auch die entsprechenden Antragsunterlagen. Falls nicht, können Sie dort auch persönlich vorsprechen oder einen formlosen Antrag stellen.
Ihr Antrag wird in der Regel mehrere Monate geprüft (kann auch schneller gehen) und Sie erhalten dann einen entsprechenden Bescheid, in dem der GdB verbindlich festgelegt wird. Beträgt er mindestens 50, erhalten Sie (Passfoto wird benötigt) einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis. Dieser ist mittlerweile so klein wie eine Scheckkarte und wird befristet oder unbefristet ausgestellt. Ist keine Besserung in Sicht, wird er unbefristet sein. Das war bei mir der Fall. Eine erneute Prüfung nach Ablauf ist bei mir daher nicht notwendig. Fälle in denen sich das Hörvermögen von selbst regeneriert sind eher unwahrscheinlich.
Welche Nachteilsausgleiche werden nun im Einzelnen für Behinderte/Schwerbehinderte gewährt?
Im Grunde gibt es Nachteilsausgleiche erst ab einem GdB von 50. Ab einem GdB von 20 haben Sie die Möglichkeit zur Teilnahme am Behindertensport (das wird Sie bei Hörproblemen nur wenige interessieren). Ab einem GdB von 30 bis 49 können Sie eine Gleichstellung beantragen und erhalten dann erweiterten Kündigungsschutz. Zudem gibt es ab GdB 20 Behinderten steuerliche Pauschbeträge, welche sich mit zunehmender Behinderung steigern:
GdB 20 - 384 €; GdB 30 - 620 €; GdB 40 - 860 €; GdB 50 - 1140 €; GdB 60 - 1440 €; GdB 70 - 1780 €; GdB 80 - 2120 €; GdB 90 - 2460 € und GdB 100 - 2840 €.
Diese Pauschbeträge werden immer abgezogen und auch nicht mit einer zumutbaren Belastung verrechnet.
Mit einem GdB von 50 sind Sie schwerbehindert und bekommen einen entsprechenden Ausweis. Mit diesem haben Sie besonderen Kündigungsschutz und besondere Förderung, z. B. durch die Agentur für Arbeit. Zusätzlich können sich im Schwerbehindertenausweis Vermerke befinden. Steht dort etwa der Vermerk RF dann brauchen Sie nur eine ermäßigte Rundfunk- und Fernsehgebühr zu entrichten. Gl bedeutet gehörlos.
Ermäßigte Rundfunk- und Fernsehgebühr: Merkzeichen RF erforderlich. Sie müssen dann nur monatlich 6,12 €, statt 18,36 € zahlen. Das ist eine jährliche Entlastung von 146,88 €. Den Antrag können Sie direkt beim ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice stellen.
Viele öffentliche Einrichtungen wie Museen und Parks, aber zu auch bei Veranstaltungen werden oft für Schwerbehinderte ermäßigte Eintrittspreise gewährt. Falls nichts dran steht, einfach vor dem Bezahlen nachfragen. Den Ausweis müssen Sie natürlich mit dabei haben und auf Verlangen vorzeigen.
Der ADAC gewährt bei vorliegender Schwerbehinderung einen Nachlass auf die Mitgliedschaftsgebühr. Bei der Plus Mitgliedschaft zahlen Sie statt 94 € nur 81 Euro (Ersparnis 13 €/ Jahr). Zum Antrag geht es hier. Sie können dies auch nachträglich beantragen. War bei mir überhaupt kein Problem und ging zügig. Bei der normalen Mitgliedschaft zahlen Sie statt 54 Euro nur 41 Euro (Ersparnis 13 € /Jahr). Zum Antrag geht es hier.
Sonderurlaub: Als Schwerbehinderter hat man im Jahr 5 Tage Anspruch auf Sonderurlaub.
Früher in Altersrente gehen: Ab einem GdB von 50 ist es möglich, früher in Rente zu gehen. Informationen dazu gibt es bei der Rentenversicherung.
Alte Hörgeräte für gute Zwecke spenden
Im Laufe der Zeit hat man meist nicht nur ein oder zwei Hörgeräte, sondern es liegen auch alte rum, welche eigentlich nicht mehr benutzt werden. Der technische Fortschritt wird immer schneller und der macht auch um die Hörgeräte keinen Bogen. Manche haben eine richtige Sammlung von alten Hörgeräten. Hinzu kommen Hörgeräte von verstorbenen Familienmitgliedern. In der Anschaffung haben diese Geräte oft mehrere tausend Euro gekostet und sind zum Wegwerfen zu schade. Wenn Sie noch ganz neu sind, kann man sie eventuell noch im Kleinanzeigenbereich verkaufen, wobei dann natürlich das Problem der individuellen Anpassung besteht.
Bei meiner Suche nach einer sinnvollen Verwendung meiner alten Hörgeräte, bin ich auf eine Seite im Internet gestoßen, welche Hörgeräte sammelt, bei Bedarf repariert und nach Brasilien sendet. Dort werden sie an bedürftige Personen weiter gegeben. Die Preise sind dort für Hörgeräte sehr hoch bzw. die Menschen haben oft so ein geringes Einkommen, dass sie sich ein normal gekauftes Hörgerät nicht leisten können. Gerade Hörgeräte mit starker Verstärkung werden benötigt, da die Leute dort oft viel zu spät zum Arzt gehen, wenn der Hörverlust schon stark fortgeschritten ist.
Der Betreiber der Webseite (Ronald Wessels aus Bremen) macht dies nun schon seit Anfang der 90er-Jahre und ist selbst nur durch einen Zufall dazu gekommen. Inzwischen hat er viel Erfahrungen sammeln können und arbeitet bezüglich der Reparatur mit einem deutschen Unternehmen (S & O Hörsystemtechnik) zusammen.
Damit die Hörgeräte auch wirklich dort ankommen, wo sie benötigt werden, arbeitet der Betreiber mit einigen Bekannten direkt vor Ort. Somit ist sichergestellt, dass die Geräte nicht irgendwo für andere Zwecke missbräuchlich verwendet werden.
Ansonsten ist die Vorgehensweise einfach. Sie gehen auf die Webseite und fordern einen Freiumschlag an. In diesen stecken Sie dann die Hörgeräte plus allem Zubehör und senden ihn ab - fertig.
Die Webseite mit Informationen und der Anforderung des Freiumschlages finden Sie hier: www.gebrauchte-hörgeräte-spenden.de
So, ich hoffe, meine Ausführungen haben Euch ein wenig geholfen. Falls es noch Fragen gibt, einfach einen Kommentar schreiben.
Vielen Dank für die Bewertung dieses Beitrags.
- Details
- Geschrieben von Gero Kurtz
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